Feldenkrais bei gesundheitlichen Beschwerden

Körperliche Verhaltensmuster, nicht Symptome stehen im Mittelpunkt
Gesundheitliche Beschwerden sind der häufigste Anlass, der Menschen zur Feldenkrais-Methode bringt. Beim ersten Kennenlernen sind viele überrascht, dass ihr gesundheitliches Problem gar nicht im Mittelpunkt des Interesses zu stehen scheint. Mit diesem Eindruck liegen sie genau richtig: In der Feldenkrais-Methode interessieren wir uns nicht primär für Krankheitssymptome, sondern für die Art, wie ein Mensch sich gewohnheitsmäßig bewegt und wahrnimmt.

 

Die Ursache suchen wir im Zusammenspiel des Ganzen, nicht an einzelnen anatomischen Orten
Bei Beschwerden des Bewegungsapparats wie z.B. Rücken- oder Gelenkproblemen arbeiten wir meist nicht direkt am Ort des Symptoms. Überhaupt gilt unsere Aufmerksamkeit nicht einzelnen anatomischen Orten als solchen, sondern ihrem Zusammenspiel. Bei einem Menschen mit Kniebeschwerden interessieren wir uns zum Beispiel auch für die Art, wie er seine Schultern bewegt, wie er seinen Kopf trägt, ob seine Zehen den Boden berühren und wie sich all dies auf den Gebrauch seines Knies auswirkt.

Wir betrachten das Bewegungsverhalten eines Menschen im Kontext seiner Möglichkeiten
Bei neurologischen Störungen wie zum Beispiel einem Schlaganfall oder bei Multiple Sklerose sehen wir die Art des Menschen, sich zu bewegen, nicht als Symptom, sondern als seine momentan bestmögliche Lösung im Umgang mit einer komplexen, vielschichtigen Störung, die sich nicht beseitigen lässt und jeweils im Moment so akzeptiert werden muss. Durch geeignete, behutsam geführte Bewegungen lassen wir ihn dann erleben, wie geschickt und intelligent diese um die Störung herum gebaute Lösung bereits ist. Mit anderen Worten, er wird mit seinen gesunden, gut organisierten Anteilen konfrontiert. Dies wird als Erfolgserlebnis registriert und lässt den Einfluss der gut organisierten Anteile sich weiter ausdehnen. Der Lösungsspielraum erweitert sich, und die Klientin/ der Klient findet womöglich zu einem etwas besseren Bewegungsablauf - ein erster Lernschritt ist getan.

Bewegungs- und Wahrnehmungsmuster: ein oft unscheinbarer, doch allgegenwärtiger Gesundheitsfaktor
Oft ist ein direkter Zusammenhang zwischen den Symptomen und den Bewegungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten eines Menschen nicht ohne weiteres erkennbar. Bei chronischem Stress, zwischenmenschlichen Problemen oder in einer Lebenskrise liegt ein Teil des Problems allerdings oft gerade darin, dass sich der Mensch seiner Bewegungsmuster und seiner körperlichen Wahrnehmung wenig bewusst ist. Dann werden Warnsignale des eigenen Körpers oder auch Signale in der Kommunikation mit anderen Menschen nicht genügend wahrgenommen. Umgekehrt kann auch übermäßiger Stress dazu beitragen, dass die Selbstwahrnehmung und Feinsteuerung von Bewegungen vernachlässigt und damit ungenauer und die Beweglichkeit zunehmend eingeschränkt wird.

Bei Feldenkrais sehen wir das Glas nicht halb leer, sondern halb voll
In der Feldenkrais-Methode interessieren wir uns also weniger für Krankheitssymptome und mehr für die Bewegungs- und Wahrnehmungsmuster des Menschen. Das ist für die Wirksamkeit der Methode entscheidend. Sie setzt auf die Verbesserung von Gewohnheiten durch Lernen, d.h. durch Bahnung und Stärkung von Nervenverbindungen, die günstigere Bewegungs- und Wahrnehmungsmuster hervorbringen. Krankheiten oder Krankheitssymptome sind dagegen im Gehirn nicht als solche repräsentiert. Sie existieren dort nur als abstrakte Begriffe des Verstandes. Von diesem verstandesmäßigen Wissen abgesehen erfährt der Mensch Krankheit nur als etwas, das ihm fehlt: fehlendes körperliches Wohlbefinden, fehlende Leistungsfähigkeit usw. Was aber nicht da ist, kann man nicht ansprechen. Diese philosophische Einsicht veranschaulicht der Volksmund mit dem Bild vom halbvollen Glas. In der Feldenkrais-Methode sehen wir das Glas nicht halb leer, sondern halb voll, d.h. wir arbeiten mit dem Bewegungs- und Wahrnehmungsverhalten des Menschen, mit dem er sich auf seinem momentanen Gesundheitszustand hält. Gelingt es, dieses Verhalten zu verbessern, kann sich auch sein Gesundheitszustand verbessern.

Es geht um mehr als Gesundheit
Dann wird sich allerdings im allgemeinen nicht nur die Gesundheit verbessern. Wahrnehmungs- und Bewegungsmuster entscheiden nicht nur mit über die Gesundheit, sie sind die Brille, durch die der Mensch sich selbst und seine Umwelt erlebt. Indem er sie verbessert, gibt sich der Mensch selbst Impulse, um sein Leben in jede beliebige Richtung mehr nach seinen Wünschen zu gestalten als bisher. Die Vision von Moshe Feldenkrais war nicht so sehr ein Mensch, der frei ist von gesundheitlichen Beschwerden, sondern einer, der sein Leben in die eigene Hand nimmt, seine mitgebrachten Anlagen zur Entfaltung bringt und bewusst sein Leben lebt.

Einige Krankheitsbilder, mit denen Menschen zur Feldenkrais-Methode kommen
Unter den Links am Anfang dieser Seite werden einige häufige Krankheitsbilder besprochen, mit denen Menschen in die Feldenkrais-Praxis kommen. Da sich das Vorgehen wie oben erläutert nicht primär nach den Krankheitssymptomen richtet, werden dort keine Techniken oder Handgriffe beschrieben. Statt dessen bespreche ich einige Aspekte, die aus Sicht der Feldenkrais-Methode für die Wiederherstellung, die Besserung oder den Umgang mit den jeweiligen Beschwerden wichtig sind.

Literatur zum Thema Feldenkrais und Gesundheit allgemein sowie verwandten Themen:
1) Dilts, Robert; Hallbom, Tim; Smith, Suzi: Identität, Glaubenssysteme und Gesundheit. Höhere Ebenen der NLP-Veränderungsarbeit. Junfermann-Verlag, München 2006.
2) Hanna, Thomas: Beweglich sein - ein Leben lang. Die heilsame Wirkung körperlicher Bewusstheit. Mit einem Übungsprogramm. Kösel-Verlag, München 2003.
3) Hanna, Thomas: Das Geheimnis gesunder Bewegung. Wesen und Wirkung Funktionaler Integration. Die Feldenkrais-Methode verstehen lernen. Junfermann Verlag, Paderborn, 2. Auflage, 2003.
4) Ruge, Uta und Weise, Silvia (Hrsg.) Zuerst bin ich im Kopf gegangen & andere Feldenkrais-Geschichten. Von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 2007.
5) Schmid, Gary Bruno: Selbsheilung durch Vorstellungskraft. Springer-Verlag, Wien 2010.