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Arthrose

Unter Arthrose versteht man eine Abnutzung der Knorpeloberflächen eines Gelenks. Dies kann früher oder später zu Schmerzen führen, die auch chronisch werden können. Arthrosen treten typischerweise in der zweiten Lebenshälfte auf. Am häufigsten entstehen sie in Knie- und Hüftgelenken, doch können auch andere Gelenke betroffen sein. Ausführlichere Informationen zum Thema Arthrose und dem Umgang damit: siehe Literaturangaben und Internet-Adressen am Ende dieses Artikels.

Wichtige Kennzeichen aus Sicht der Feldenkrais-Methode

  • Unmittelbare Ursache des Arthroseschmerzes ist nicht allein der Zustand des Knorpels wie er im Röntgenbild erscheint. Das zeigt sich unter anderem daran, dass in der Frühphase einer Arthrose der Schmerz meist nicht konstant ist, sondern mal stärker, mal schwächer ist und zeitweise auch völlig verschwinden kann. Da der Zustand des Knorpels während solch kurzzeitiger Änderungen gleich bleibt, sind offensichtlich weitere Einflussfaktoren beteiligt. Bekannt ist, dass Bewegung bei geringer Gelenkbelastung schmerzlindernd wirken kann. Oft folgen die Änderungen im Schmerzempfinden auch einem tageszeitlichen Rhythmus, der mit Bewegungsphasen wenig korreliert. Das könnte auf einen Zusammenhang mit dem Tagesrhythmus des Stoffwechsels oder des Hormonhaushalts hindeuten. Nach Auffassung verschiedener medizinischer Autoren, die teils die Schulmedizin, teils andere Methoden vertreten, kommen darüber hinaus unter anderen folgende Einflussfaktoren in Frage:
    - die Beweglichkeit des Gelenks, was u.a. auch die Durchblutung und Nährstoffversorgung der Gelenkkapsel beeinflusst
    - dauerkontrahierte Muskeln im Hüftbereich, die den Gelenkkopf konstant in die Gelenkpfanne pressen, so dass die alternierende Be- und Entlastung beim Gehen ihre gesund erhaltende Wirkung nicht genügend entfalten kann.
    - ungünstige Bewegungsmuster, d.h. das Zusammenspiel des betroffenen Gelenks mit anderen Gelenken. Dies kann zu einer unverhältnismäßig starken Belastung an einzelnen Stellen des Gelenks führen. Eine mögliche Begleiterscheinung sind ungünstige Spannungs- und Längenverhältnisse beteiligter Muskeln. Diese können Schmerzsignale von sich geben und so zum Schmerzerleben beitragen.
    - Der Zustand des vegetativen Nervensystems: Andauernder übermäßiger Stress erhöht das Schmerzempfinden allgemein.
    - Die Funktionstüchtigkeit aller Organsysteme allgemein: Der Verlauf einer Arthrose hängt unter anderem auch davon ab, wie sich im betroffenen Gelenk auf- und abbauende Prozesse die Waage halten. Dies hängt wiederum von der Funktionstüchtigkeit aller Organsysteme ab.
    - die empfundene Bewegungsqualität: Schmerz hat auch eine psychologische Komponente. Ein runder, gleichmäßiger, müheloser Gang ruft ein angenehmes Körpergefühl hervor, das mit der Schmerzwahrnehmung in Konkurrenz tritt. Ablenkung durch angenehme Empfindungen ist ein natürliches, wissenschaftlich fundiertes, potenziell sehr wirksames Schmerzmittel mit positiven Nebenwirkungen.
    - Die Selbsteinschätzung des Menschen insgesamt. Die Diagnose einer Arthrose ist für viele Menschen eine niederschmetternde Nachricht. Betätigungen, die einem viel bedeutet haben, wie zum Beispiel manche Sportarten, müssen möglicherweise eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden. Man ist - vielleicht zum ersten Mal im Leben - mit einer Krankheit konfrontiert, bei der man nicht weiß, ob Besserung möglich ist. Tagsüber ist die Unternehmungslust gedämpft, nachts der Schlaf möglicherweise durch Schmerzen gestört. Das Leben wird vielleicht nicht mehr als so lebenswert empfunden, wie es einmal war. Da die biologischen Funktionen des Menschen mit seinen Gedankeninhalten eine unzertrennliche Einheit bilden, kann sich eine derart veränderte Selbsteinschätzung auch nachteilig auf die Lebensenergie und die körperliche Regenerationskraft auswirken. Dann gilt es, eine neue, positive Selbsteinschätzung zu entwickeln, die nicht nur, wie es vielleicht früher einmal war, von der eigenen Jugendlichkeit gespeist wird.

    Aus dem oben Gesagten folgt, dass der Zustand des Gelenks, wie es im Röntgenbild erscheint, nicht entscheidend sein muss. Der wichtigste Indikator für die/den Betroffenen ist der Schmerz selbst. Schmerzfreie oder schmerzarme Phasen können als eine erfolgreiche Leistung des Organismus gewürdigt werden in seinem Ringen um den Erhalt des Gelenks. Sie zeigen, dass er es zumindest zeitweise schafft, sein Gelenk als ein völlig oder annähernd normales, unauffälliges Gelenk einzusetzen. In Phasen der Besserung arbeitet auch die Zeit für die/den Betroffenen: Man/Frau kann ungestört weiter an der Verbesserung der eigenen Bewegungsmuster arbeiten, das vegetative Nervensystem beruhigt sich, der Schlaf verbessert sich möglicherweise und der Glaube an die Regenerationsfähigkeit wird ebenfalls genährt. Kurzum, in Phasen der Besserung können auch die oben genannten Einflussfaktoren in Richtung Besserung wirken. Anstelle des oben genannten Teufelskreis ist die Möglichkeit gegeben für eine positive Verstärkung in Richtung Gesundung.
  • Bewegungseinschränkungen und Schonhaltungen bei einer Arthrose können eine - für den Moment - sinnvolle Notmaßnahme des Organismus sein, um Schmerzen zu vermeiden. Langfristig wirken sie im allgemeinen allerdings negativ auf den Organismus und damit auch auf das betroffene Gelenk zurück. Nehmen die Bewegungseinschränkungen dadurch weiter zu, entsteht ein Teufelkreis: Was ursprünglich vielleicht ein sinnvoller Schutz war, schadet mehr als dass es hilft.

    Hier ist es wichtig zu sehen, dass Schonhaltungen und Bewegungseinschränkungen ein alltägliches Phänomen sind, mit dem jeder Mensch, ob mit oder ohne Arthrose, mehr oder weniger zu tun hat. Auch wenn wir ihre Ursachen nicht im einzelnen kennen, können wir annehmen, dass sie irgendwann als sinnvolle Schutzreaktion des Organismus auf eine bedrohliche oder unangenehme Situation entstanden sind. Dann stellt sich aber die Frage, ob sie weiterhin für diesen Zweck gebraucht werden oder ob die auslösende Situation nicht längst der Vergangenheit angehört.

    Überall wo Muskeln die natürliche Beweglichkeit eines Menschen mit Arthrose einschränken, ob am betroffenen Gelenk oder weit davon entfernt, ob als Reaktion auf den Arthroseschmerz oder aus anderem Grund, bietet sich aus Sicht von Feldenkrais die Gelegenheit zu prüfen, ob der Organismus dies weiterhin so haben will, oder ob er diese Muskeln auf "freundliches Befragen" hin nicht doch wieder mehr am Zusammenspiel im Verband mit anderen Muskeln teilhaben lassen will. Die Erfahrung zeigt, dass wir der Weisheit des Organismus vertrauen dürfen, und dass er nur da Bewegung erneut zulässt, wo es ihm nicht schadet. Andererseits wirkt sich jede Verbesserung im "großen Orchester der Bewegung" direkt oder indirekt positiv auf die oben genannten Faktoren aus, die den Verlauf einer Arthrose beeinflussen können.
  • Ablenkung von Schmerz - Hinlenkung zu anderen Wahrnehmungen: Nicht nur wissenschaftliche Studien, auch die Lebenserfahrung zeigt, dass Schmerzen oft weniger werden in dem Augenblick, da man sich einer anderen Sache zuwendet. Dies ist auch hirnphysiologisch gut zu erklären. Schmerz - auch Arthroseschmerz - ist ein komplexes neurologisches Geschehen, an dem nicht nur Schmerzrezeptoren an der betroffenen Körperstelle, sondern auch viele Teile des Gehirns gleichzeitig beteiligt sind. Werden einige dieser Gehirnteile anderweitig in Anspruch genommen, kann dies den Schmerz schon verringern. Bei einer Ablenkung durch Feldenkrais-Erfahrungen kommt hinzu, dass es angenehme, überraschende Empfindungen sind, die der eigene Körper von innen heraus erzeugt. Statt dass sich also eine depressive, den Schmerz verschlimmernde Stimmung breit macht unter dem Eindruck "Ich kann mich nicht mehr auf meinen Körper verlassen", vernimmt der Arthrose-Betroffene von seinem Körper nun eine gegenteilige Botschaft: "Mir kann es auch gut gehen, ich muss nur den Weg dorthin kennen". Solch positive Gedanken können den Automatismus des chronischen Schmerzes unterbrechen und neue Möglichkeiten eröffnen.

  • Wie stehen die Chancen?
    Nach langjähriger Begleitung von Menschen mit der Diagnose "Arthrose" lässt sich das Fazit ziehen, dass über die Jahre betrachtet ein konstanter Verlauf oder sogar eine Besserung des Krankheitsbildes in vielen Fällen möglich ist. Gleichmut, Geduld und ein langer Atem sind hierbei gute Wegbegleiter, da man aus dem bisherigen Verlauf prinzipiell nie auf die Zukunft schließen kann. Selbstverständlich kann es sinnvoll sein, neben Feldenkrais gleichzeitig noch weitere Verfahren anzuwenden, z.B. aus dem Bereich der Ernährung oder anderer alternativmedizinischer Richtungen. Um für sich einschätzen zu können, was mehr und was weniger hilft, empfiehlt es sich natürlich, im eigenen Maßnahmenplan immer nur eine Änderung auf einmal vorzunehmen.

  • Nehmen die Beschwerden derart zu, dass eine Operation unausweichlich wird, bietet die Feldenkrais-Methode gute Möglichkeiten, bis zum Operationstermin möglichst beweglich zu bleiben. Nach dem Eingriff geht es unter anderem darum, aus einer eventuell zuvor erworbenen Schonhaltung wieder zu einem aufrechten, möglichst symmetrischen Gang zu finden. Da je nach angewandter Technik durch den Eingriff Sinneszellen im Gelenk verloren gehen können, kann im Gleichgewicht und im Gang ein leichtes Gefühl von Unsicherheit zurückbleiben. Auch aus diesem Grund kann eine intensive sensomotorische Schulung nach Gelenkersatz von Nutzen sein.

Zur Vorgehensweise
Obwohl man schnelle und bleibende Erfolge nicht ausschließen kann, ist es für eine Arthrose eher typisch, dass sie einen Jahre lang beschäftigt, manchmal auch ein Leben lang. Will man mit der Feldenkrais-Methode alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sein Gelenk bei guter Lebensqualität zu erhalten, kann dies daher eine intensive und langfristige Beschäftigung mit Feldenkrais bedeuten. Wer fürchtet, dies könnte auf Dauer lästig oder monoton werden, wird angenehm überrascht sein: Feldenkrais macht Spaß und bleibt immer spannend: Man weiß nie im voraus, welche angenehme Veränderung in der körperlichen Wahrnehmung es geben wird, doch die Vorfreude darauf wird selten enttäuscht. Da man nach einiger Erfahrung auch die Feldenkrais-Methode für sich zu Hause anwenden kann, lassen sich auch die Kosten in Grenzen halten.
Um maximal von der Feldenkrais-Methode zu profitieren, empfiehlt es sich, sowohl die Einzelarbeit - genannt Funktionale Integration - als auch den Gruppenunterricht - genannt Bewusstheit durch Bewegung - kennen zu lernen. Damit sich die Lernerfahrungen etablieren können, ist es sinnvoll, die Bewegungslektionen aus Bewusstheit durch Bewegung regelmäßig, mindestens einmal pro Woche, besser öfter, durchzuführen. Dies ist nach einiger Kurserfahrung auch zu Hause mit Audio- oder mit schriftlichem Material möglich. Auch bei Einzelstunden ist mit nachhaltigen Ergebnissen am ehesten zu rechnen, wenn sie in einer Serie mit nicht mehr als einer Woche Zeitabstand genommen werden. Hat man eine Zeitlang regelmäßig Feldenkrais-Erfahrungen gemacht und sie in den eigenen Lebensalltag integriert, ist es auch möglich, längere Zeit zu pausieren, ohne dass die gemachten Lernerfahrungen verloren gehen. Manche Menschen stellen nach einiger Zeit fest, dass sie gar kein Bedürfnis haben zu pausieren, sondern nur darauf neugierig sind, welche Verbesserungen und Entdeckungen diese Art der Selbsterfahrung noch für sie bereithält.
Da der zukünftige Verlauf einer Arthrose nie vorausgesagt werden kann, ist es nur sinnvoll, "alle Register zu ziehen", die die Feldenkrais-Methode zu bieten hat, um so die Chancen für einen positiven Verlauf zu vergrößern. Das Gesamtrepertoire von Bewusstheit durch Bewegung umfasst weit über 1000 Bewegungslektionen. Diese schöpfen aus den unendlichen Kombinationsmöglichkeiten, in denen sich der Mensch mit seinen Gliedmaßen, dem Kopf, den Augen und dem Rumpf und unter Einsatz all seiner Gelenke und Willkürmuskeln bewegen kann. Jede Bewegungslektion, auch wenn sie das betroffene Gelenk nicht direkt anspricht, birgt die Chance, das Zusammenspiel in der Bewegung und damit auch die Umgebungsbedingungen für das betroffene Gelenk zu verbessern. So können zum Beispiel Lektionen zum besseren Gebrauch der Fußmuskeln ihre wohltuende, reorganisierende Wirkung die ganzen Beine und die Wirbelsäule hinauf bis zum Nacken entfalten. Ein anderes Beispiel sind Lektionen zur Verbesserung des Atems, womit das vegetative Nervensystem und möglicherweise die Schmerz verarbeitenden Hirnzentren erreicht werden können. Auch Visualisierungsübungen, bei denen sich langsame, behutsame Bewegungen mit vorgestellten Bildern vereinen, können positive Veränderungen herbeiführen.

Weiterführende Informationen zum Thema Arthrose und dem Umgang damit:

Literatur:
1) Franklin, Eric N.: Befreite Körper. Das Handbuch zur imaginativen Bewegungspädagogik. VAK Verlags GmbH, Kirchzarten, 3. Auflage, 2003.
2) Mosetter, Kurt: Myoreflextherapie. Vesalius Verlag, Konstanz 2000.

Internet-Adressen:
1) http://www.deutsches-arthrose-forum.de
2) http://www.arthroseselbsthilfe.de